Das
neue Jahr ist angekommen. Und auch etliche Fahrgäste sind gekommen, noch im
alten Jahr, am späten Nachmittag an Silvester. Nur einer kam nicht: Der
Katamaran, mit dem gut ein Dutzend Fahrgäste ab Friedrichshafen zur
Silvesterparty nach Konstanz fahren wollten.
„Tatort“
Schiffsanlegestelle am ‚Hinteren Hafen‘: Elegant gekleidete Damen und Herren
betreten die festlich beleuchteten Schiffe der Weißen Flotte zum großen
Silvesterdiner auf dem Bodensee. Alle sind gut gelaunt. Wirklich alle?
Fahrgäste warten vergeblich auf den Katamaran
Fragende,
leicht säuerliche Gesichter vor der Anlegestelle des Katamarans. Es ist kurz
vor 18 Uhr. „Wo bleibt er nur?“ fragt ein Mädchen, aus deren Rucksack eine
Sektflasche herauslugt. „Eigentlich,“ sagt ein älterer Mann, „müsste der
doch längst da sein.“ Erwartungsvolle Blicke hinaus auf den See: Wellen, Schwäne
– das letzte Büchsenlicht spiegelt sich auf der Wasseroberfläche. Nur er ist
weit und breit nicht zu sehen: Der sehnlichst erwartete Bodensee-Katamaran.
„Der
wird doch nicht….?“ Sagt ein junger Mann mit Zipfelmütze. Er wagt das
Unfassbare gar nicht auszusprechen: Der Katamaran wird doch nicht bloß wegen
Silvester bereits um 18 Uhr den Betrieb eingestellt haben? Fragende Blicke auf
das Wartehäuschen: Kein Info-Zettel weit und breit. Dann, innen drin, der
Fahrplan – und der Hinweis auf geänderte Fahrzeiten am 24. und am 31.
Dezember: Dort, wo ein großer, blauer Punkt prangt, wird nicht mehr gefahren:
Und der blaue Punkt steht – auf 19 Uhr. Nochmals Glück gehabt!
Aktueller Fahrplan
erschließt sich erst im Internet
Denkste! Eine junge Frau zückt
ihr Smartphone. Blitzschnell gleiten ihre Finger über die Tasten. Und dann der
unfassbare Gesichtsausdruck: „Fährt nicht!“ Die Weisheit des aktuellen
Fahrplans erschließt sich aus dem Internet. Weil dessen Nutzern die Welt gehört,
wissen vor Ort wenigstens die, was fährt und nicht fährt. In diesem Fall eher,
was nicht fährt.
Die
übrigen Anwesenden outen sich durch ihre Fragen als Menschlinge von gestern und
vorgestern: Ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, die ausfallenden
Silvesterfahrten auf einem Zettel aus Papier (!) an die Scheibe zu hängen? Ob
es nicht sinnvoll gewesen wäre, den offenbar falschen Fahrplan zu korrigieren?
Und überhaupt, die Frage aller Fragen: Ob es nicht sinnvoll gewesen wäre, den
Katamaran ganz einfach dann mal fahren zu lassen, wenn Fahrgäste da sind –
beispielsweise an Silvester um 18 Uhr? Die hätten sogar glatt noch etwas dafür
bezahlt.
Aber:
Sollte alles nicht sein. „Ein Schiff wird kommen“, sang Lale Andersen vor über
50 Jahren. An Silvester und den Bodensee-Katamaran hat sie dabei mit Sicherheit
nicht gedacht.