50 Jahre Motorschiff „St. Gallen“

Das heutige Flaggschiff ersetzte den letzten Raddampfer Rhein“

Der Namen der Kantonshauptstadt St. Gallen hat auf dem Bodensee eine lange Tradition. Eine erste „Stadt St. Gallen“ war schon von 1853 bis 1898 auf dem Bodensee und Hochrhein unterwegs. Die zweite „St. Gallen“, ein stattlicher und leistungsstarker Halbsalondampfer lief 1905 vom Stapel und wurde nach 55 Betriebsjahren stillgelegt und abgewrackt. Als im Mai 1956 das neue Motorschiff „Säntis“ seinen Dienst aufnahm, wurde es still um die „St. Gallen“. Der Dampfer wurde nur noch bei Bedarf eingesetzt und lief am 4. September 1960 zu seiner Abschiedsfahrt aus. Schon am nächsten Tag begannen die Abbrucharbeiten, die gegen Monatsende beendet waren. Die damals noch wenigen stillen Liebhaber hatten bis zuletzt gehofft, dass wenigstens das aus dem Jahre 1906 stammende Schwesterschiff „Rhein“ dem Bodensee erhalten bleiben möge. Aber schon im Frühjahr 1966 wurde sein Ersatz durch ein neues Motorschiff angekündigt. Nach einer Reihe gut besuchter und vielbeachteter Abschiedsfahrten, gehörte auch die „Rhein“ nach Saisonende der Vergangenheit an. Währenddessen befand sich auf der Bodanwerft in Kressbronn das Ersatzschiff schon im Bau. Die neue „St. Gallen“ konnte am 7. Mai 1967 in Dienst gestellt werden. Das elegante Zweideck-Motorschiff mit einer Tragkraft von 650 Personen wird von zwei je 330 PS starken Sechszylinder-Dieselmotoren der Schweizerischen Lokomotivenfabrik Winterthur (SLM) und zwei Escher Wyss-Verstellpropellern angetrieben. Dieser Antrieb wurde 1958 zum ersten Mal auf dem Motorschiff „Grünten“ und späteren „Lindau“ eingeführt. Mit den beweglichen Propellerflügeln lässt sich die Geschwindigkeit stufenlos regulieren. Die „St. Gallen“ besticht nicht nur durch ihre eleganten Linien, sondern zählt mit einer Geschwindigkeit von 29 km/h als eines der schnellsten Schiffe auf dem Bodensee. Da es in der Nordostschweiz keinen vergleichbaren Massentourismus wie am deutschen Bodenseeufer gibt, haben die damaligen Schweizerischen Bundesbahnen aus wirtschaftlichen Gründen auf den Bau großer Dreideck-Motorschiffe verzichtet. Die Fahrgasträume des Romanshorner Flaggschiffes wurden mehrfach auf ansprechende Weise neugestaltet. Umstritten blieb allerdings die schrill wirkende Dekoration der „St. Gallen“ als „Landbierschiff“, ebenso wie die blauen Reklameflächen der Firma Nestle beim „Dessertliner“, der „Zürich“. Eine mögliche Übernahme der Aktienmehrheit der Romanshorner Bodenseeflotte durch den Konstanzer Stadtwerke-Konzern löste im Jahre 2005 eine heftige Protestreaktion unter der Bevölkerung im Kanton Thurgau aus. Es gründete sich eine neue Gesellschaft, die seit 2006 den schweizerischen Bodenseeverkehr betreibt. Das Ausflugsfahrten-Programm wurde nicht nur wie bisher zur Insel Mainau, sondern auch zu den Stationen Meersburg und Unteruhldingen ausgedehnt. Dadurch besteht die Möglichkeit einer ausgedehnten Kreuzfahrt über den gesamten Obersee. In mehreren, bis dahin für den Schiffsverkehr noch nicht erschlossenen Gemeinden entlang des Thurgauer Seeufers, entstanden neue Landungsstege. Auch in der kalten Jahreszeit kreuzt die „St. Gallen“ zusammen mit den drei anderen, in Romanshorn stationierten Motorschiffen über den See. Neben den Eventfahrten im Advent werden auch Brunch- und Fonduefahrten angeboten, die sich auch außerhalb des sommerlichen Ausflugsverkehrs einer zunehmenden Resonanz erfreuen.

(Karl F. Fritz)

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